Aktuelle Urteile
Nachvertragliches Wettbewerbsverbot eines GmbH-Geschäftsführers
BGH Urt. v. 23. April 2024 – II ZR 99/22
Zur Wirksamkeit eines mit einem GmbH-Geschäftsführer vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbots, das bei Zuwiderhandlung den rückwirkenden Verfall einer Karenzentschädigung vorsieht.
Worum ging es?
Der Beklagte war Geschäftsführer der klagenden GmbH. In seinem Geschäftsführer Anstellungsvertrag war ein zweijähriges nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart. Als Entschädigung für das Wettbewerbsverbot Sara der Anstellungsvertrag für die Dauer der Karenz eine Zahlung von monatlich 50 % der zuletzt bezogenen Monatsbezüge vor. Außerdem war vereinbart, dass ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot zum Wegfall der Karenzentschädigung ex tunc führt und bereits gezahlte Teile der Karenzentschädigung an die Gesellschaft zurückzuzahlen sind. Am 31.5.2012 berief die Beklagte GmbH dem Geschäftsführer ab und kündigte den Anstellungsvertrag, zahlte ihm jedoch nicht die vereinbarte Karenzentschädigung. Seit 17. Juni 2013 war der Beklagte als Geschäftsführer eines Konkurrenzunternehmens der Klägerin tätig. Deswegen nahm ihn die Klägerin auf Unterlassung der Erwerbstätigkeit in Anspruch. Daraufhin erhob der Geschäftsführer Widerklage, mit der er Zahlung der Karenzentschädigung verlangte. Das Berufungsgericht sprach ihm die Karenzentschädigung für den Zeitraum bis zur Aufnahme seiner Konkurrenztätigkeit zu und wies die Berufung im Übrigen zurück. Die klagende GmbH ging in die Revision um zu erreichen, dass der Anspruch des Geschäftsführers auf Zahlung der Karenzentschädigung infolge Umfang zurückgewiesen wird.
Wie hat der Bundesgerichtshof entschieden?
Der BGH hat der klagenden Gesellschaft Recht gegeben. Zur Begründung führte er aus, dass das im Anstellungsvertrag des Geschäftsführers vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot wirksam ist. Der BGH verweist insoweit ausführlich auf seine gefestigte Rechtsprechung, nach der dem Geschäftsführer einer GmbH, mit dem ein nachvertragliches Kommerzverbot vereinbart wird, keine Karenzentschädigung versprochen und später gezahlt werden muss. Wird im Dienstvertrag mit dem Geschäftsführer gleichwohl ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart, in dem eine Karenzentschädigung zugesagt wird, so können die Vertragsparteien die Höhe der Entschädigung frei vereinbaren. Dementsprechend, so der BGH weiter, könne auch der rückwirkende Wegfall einer versprochenen Karenzentschädigung wirksam für den Fall vereinbart werden, dass der Geschäftsführer gegen das Wettbewerbsverbot verstößt. Da er durch die Aufnahme der Konkurrenztätigkeit seit 17. Juni 2013 gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen habe, sei der Anspruch auf die Karenzentschädigung insgesamt entfallen. Demgegenüber habe das Berufungsgericht eine unzulässige Geltung erhalten der Reduktion des geregelten nachvertraglichen Hausverbots vorgenommen. Der klagenden GmbH sei es schließlich auch nicht nach § 242 BGB verwehrt, sich auf den rückwirkenden Wegfall der Karenzentschädigung zu berufen. Hierfür genüge es nicht, dass die GmbH die monatlich fälligen Beträge der Karenzentschädigung nicht geleistet habe. Allenfalls bei einer ernsthaften und endgültigen Zahlungsverweigerung könne davon gesprochen werden, dass die Klägerin den Beklagten zur Aufnahme der Konkurrenztätigkeit „herausgefordert“ hat. Diese Voraussetzungen seien hier aber nicht erfüllt.
Bedeutung für die Praxis:
Der BGH hat in seinem Urteil das Pferd quasi von hinten aufgezäumt. Der entscheidungserheblichen Frage, ob ein Anspruch auf eine Karenzentschädigung rückwirkend entfallen kann, wenn der Geschäftsführer gegen das Wettbewerbsverbot verstößt, stellt es ausführliche Hinweise auf seine in der Praxis oft nicht beachtete Rechtsprechung voran, nach der dem Geschäftsführer einer GmbH bei Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots keine Karenzentschädigung versprochen und gezahlt werden muss. Hier liegt ein grundsätzlicher Unterschied zur Möglichkeit der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots mit einem Arbeitnehmer. Für Arbeitnehmer gelten die Vorschriften der §§ 74ff. HGB zwingend. Danach ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot und nur verbindlich, wenn dem Arbeitnehmer für die Dauer der Karenz eine Entschädigung zugesagt wird, die mindestens die Hälfte der zuletzt bezogenen Vergütung beträgt. Entgegen verbreiteter Sicht ist dies bei der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots mit GmbH-Geschäftsführer nicht erforderlich. GmbH-Geschäftsführer können sich also nicht auf die Wechselwirkung von nachvertraglichen Wettbewerbsverbot und Karenzentschädigung verlassen. Wird ihnen ein Dienstvertrag angeboten, der ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot enthält, ist deshalb eine besonders sorgfältige Prüfung dringend zu empfehlen.
Kündigung eines aufgrund eines Arbeitsvertrags tätigen Geschäftsführers – Betriebsübergang
BAG Urt. v. 20.7.2023 – 6 AZR 228/22
Leitsatz:
Liegt der rechtlichen Beziehung zwischen Organ und Gesellschaft ein Arbeitsverhältnis zugrunde, geht bei einem Betriebsübergang gemäß § 613a BGB zwar das Arbeitsverhältnis, nicht aber die Organstellung auf den Erwerber über.
- Für die Frage, ob der Anwendungsbereich des § 14 Absatz 1 Nr. 1 KSchG eröffnet ist, kommt es darauf an, ob im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die organschaftliche Stellung als Geschäftsführer noch bestanden hat. Ist dies der Fall, bedarf die Kündigung keiner sozialen Rechtfertigung im Sinne von § 1 Abs.2 KSchG. Das gilt auch, wenn der rechtlichen Beziehung zwischen Organ und Gesellschaft ein Arbeitsverhältnis zugrunde liegt.
- Bei Organmitgliedern juristischer Personen ist zwischen der Organstellung und dem ihr zugrunde liegenden Anstellungsverhältnis zu unterscheiden. Die Bestellung zum Organ einer juristischen Person ist ausschließlich ein körperschaftlicher Rechtsakt. Sie begründet kein schuldrechtliches Verhältnis zwischen dem Organmitglied und der Gesellschaft.
- Haben Arbeitgeber und Geschäftsführer anstelle eines Dienstvertrags einen Arbeitsvertrag geschlossen, kommt es für die rechtliche Einordnung ihrer Vertragsbeziehung allein auf die vertragliche Vereinbarung, nicht dagegen auf die tatsächliche Vertragsdurchführung an.
- § 613a BGB schützt auch Organmitglieder im Sinne des § 14 Absatz 1 Nummer 1 KSchG, die auf der Grundlage eines Arbeitsverhältnisses tätig sind. Das Arbeitsverhältnis geht grundsätzlich mit dem beim Betriebsveräußerer zuletzt innegehabten Inhalt der Beschäftigung und deshalb mit Tätigkeiten eines Geschäftsführers über.
- Die Organstellung von Vertretern juristischer Personen geht dagegen nicht im Wege eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB auf den Erwerber über.
Schlagworte: Geschäftsführerdienstvertrag, Organstellung, Arbeitsverhältnis, Betriebsübergang
Worum ging es?
Der klagende Geschäftsführer war als kaufmännischer Angestellter seit 2000 bei einer GmbH angestellt. Im Jahre 2013 wurde er zu deren Geschäftsführer bestellt. Ein schriftlicher Geschäftsführervertrag wurde nicht abgeschlossen, die Tätigkeit als Geschäftsführer erfolgte auf der Grundlage des bisherigen Arbeitsvertrags. Mit einer schriftlichen „Änderung zum Arbeitsvertrag“ vereinbarte der Geschäftsführer mit der alleinigen Gesellschafterin der GmbH im Jahr 2017 neue Arbeitszeitregelungen. Zudem einigten sich beide darauf, dass alle anderen Bestandteile des Vertrags bestehen bleiben. 2019 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter kündigte das Arbeitsverhältnis des sowie ein etwa bestehendes Geschäftsführeranstellungsverhältnis. Nach Zugang der Kündigung legte der Kläger sein Amt als Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung nieder und erhob beim Arbeitsgericht Klage mit dem Antrag festzustellen, sein Arbeitsverhältnis mit der GmbH sei durch die Kündigung nicht aufgelöst.
Wie hat das Bundesarbeitsgericht entschieden?
Das BAG befasst sich mit der für Geschäftsführer essentiellen Unterscheidung zwischen ihrem Anstellungsvertrag und der Organstellung. Die Organstellung ist rein gesellschaftsrechtlicher Natur und nach der Trennungstheorie rechtlich unabhängig von dem zugrunde liegenden Anstellungsverhältnis. Die Bestellung zum Organ einer GmbH ist ausschließlich ein körperschaftlicher Rechtsakt, der kein schuldrechtliches Verhältnis zwischen dem Organ und der Gesellschaft begründet. In Bezug auf einen Betriebsübergang nach § 613a BGB arbeitet das BAG heraus, dass die gesellschaftsrechtliche Organstellung eines GmbH-Geschäftsführers nicht von der Vorschrift des § 613a BGB erfasst wird und deshalb nicht im Wege des Betriebsübergangs auf einen Erwerber übergehen kann. Im Unterschied zur Organstellung kann der Anstellungsvertrag aber durch Betriebsübergang auf den neuen Inhaber übergehen. Entscheidend ist hierbei, ob es sich bei dem Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers um einen Dienstvertrag oder einen Arbeitsvertrag handelt. Das BAG bestätigt seine neuerer Rechtsprechung, dass Grundlage der Organtätigkeit eines Geschäftsführers auch ein Arbeitsvertrag sein kann. Für die Annahme eines Arbeitsvertrages reicht es aus, wenn die Parteien den Vertrag des Geschäftsführers als Arbeitsvertrag bezeichnen. Wenn Arbeitgeber und Geschäftsführer anstelle eines Dienstvertrages einen Arbeitsvertrag geschlossen haben, so kommt es nach der Entscheidung des BAG für die rechtliche Einordnung ihrer Vertragsbeziehung allein auf die vertragliche Vereinbarung, nicht jedoch auf die tatsächliche Vertragsdurchführung an.
Tipp für die Praxis:
Entgegen früheren Entscheidungen reicht es nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses zwischen Geschäftsführer und GmbH aus, dass der ursprüngliche Arbeitsvertrag des Geschäftsführers anlässlich seiner Bestellung zum Organ nicht durch einen schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrag abgelöst wurde oder der anlässlich der Bestellung zum Organ neu abgeschlossene Anstellungsvertrag als Arbeitsvertrag bezeichnet wird.
Wie bringe ich die Klage gegen die Kündigung meines Geschäftsführervertrages vor das Arbeitsgericht?
LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.11.2022 – 12 Ta 8/22
Thema: Sic-non-Fall – Geschäftsführer – Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten – ordentliche Kündigung – allgemeine Feststellungsklage – Schwerpunktbildung
Amtliche Leitsätze:
- Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist nicht schon dann – unabhängig vom tatsächlichen Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses – eröffnet, wenn eine Kündigungsschutzklage die Formulierung enthält, dass eine bestimmte Kündigung „das bestehende Arbeitsverhältnis“ nicht beende. Allein das führt noch nicht zur Einordnung als so genannter Sic-non-Fall, bei dem bereits die reine Rechtsbehauptung, der Kläger sei Arbeitnehmer, zur Begründung der Zuständigkeit des Arbeitsgerichts ausreicht. Es bedarf vielmehr einer Gesamtbeurteilung anhand des Antrages und der Klagebegründung.
- Im Falle einer Kündigungsschutzklage gegen eine ordentliche Kündigung eines Geschäftsführerdienstvertrages liegt jedenfalls dann ein Sic-non-Fall vor, wenn die Unwirksamkeit der Kündigung schwerpunktmäßig mit einem Verstoß gegen das Kündigungsschutzgesetz begründet wird. Unschädlich ist es, wenn der Kläger darüber hinaus lediglich pauschal eine sonstige Unwirksamkeit der Kündigung anspricht, ohne hier konkret eine Unwirksamkeit aufgrund einer Norm darzulegen, die nicht nur in einem Arbeitsverhältnis Geltung beansprucht.
Schlagworte: Arbeitnehmer, Beschwerde, Gesellschafterversammlung, Unwirksamkeit, Fiktionswirkung, Zeitpunkt, Beschwerdegegnerin, Rechtsweg, Beteiligung, Sperrwirkung, Gesellschafter, Gesellschaft, Auslegung, Amt, sofortige Beschwerde, sofortigen Beschwerde, juristischen Person
Worum ging es?
Der Kläger war Geschäftsführer einer GmbH und zugleich mit 30 % der Geschäftsanteile als Gesellschafter an ihr beteiligt. Am 15. Februar 2022 legte er sein Amt als Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung nieder. Die Beendigung der Organstellung wurde am 25. Februar 2022 in das Handelsregister eingetragen. Am 9. März 2022 kündigte die GmbH „sämtliche (vorsorglich etwaigen) bestehenden Geschäftsführerdienstverträge zum nächstmöglichen Kündigungszeitpunkt.“ Gegen diese Kündigung klagte der Geschäftsführer vor dem Arbeitsgericht und beantragte festzustellen, dass das bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht beendet wurde und dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet.
Wie hat das LAG Baden-Württemberg entschieden?
Das LAG musste sich mit der uralten Frage befassen, ob das angerufene Arbeitsgericht für die Klage zuständig war oder das Verfahren vor das Landgericht gehörte. Die maßgebliche Frage lautet: „sic-non oder et-et?“ An diesen Begriffen macht das Bundesarbeitsgericht fest, ob ein GmbH-Geschäftsführer lediglich behaupten muss, Arbeitnehmer zu sein, um mit seiner Kündigungsschutzklage vor das Arbeitsgericht ziehen zu können anstatt beim Landgericht zuerst einen hohen Gerichtskostenvorschuss einzahlen zu müssen oder ob er seine Arbeitnehmerstellung auch schlüssig darlegen und nachweisen muss. Liegt ein sog. sic- non- Fall vor, so genügt bereits die reine Rechtsbehauptung, Arbeitnehmer zu sein, um die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts zu begründen.
Wie die Rechtsbehauptung, Arbeitnehmer zu sein, konkret aussehen muss, ist in der Rechtsprechung noch nicht geklärt. Umstritten ist insbesondere, ob es hierfür ausreicht, den Kündigungsschutzantrag lediglich dahingehend zu formulieren, es möge festgestellt werden, dass das zwischen den Parteien bestehende „Arbeitsverhältnis“ durch die Kündigung nicht aufgelöst wird oder ob mehr Ansatzpunkte für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses vorgetragen werden müssen.
Das LAG Baden-Württemberg hat arbeitnehmerfreundlich bzw. geschäftsführerfreundlich entschieden und die Rechtswegzuständigkeit des Arbeitsgerichts bejaht. Zur Begründung verweist es darauf, dass im Antrag ausdrücklich formuliert sei, dass das bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht beendet werde. Außerdem berufe sich der Geschäftsführer in seiner Klage ausdrücklich auf eine Sozialwidrigkeit der Kündigung. Aus der Klagebegründung ergebe sich daher nicht, dass der Kläger die Kündigung unabhängig von der Frage des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses „unter allen denkbaren rechtlichen Gesichtspunkten“ überprüft haben wolle. Der Schwerpunkt der Begründung der Klage liege jedenfalls darauf, dass der Geschäftsführer Arbeitnehmer sei. Dies reiche aus.
Hier gelangen Sie zum Beschluss.
Rechtsweg – Entgeltfortzahlungsklage eines abberufenen Geschäftsführers
LAG Düsseldorf, Beschluss vom 19.07.2022 – 3 Ta 90/22
Orientierungssätze:
- Macht ein ehemaliger Geschäftsführer nach Abberufung bei streitiger (Neu-)Begründung eines Arbeitsverhältnisses Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geltend und fehlt eine vertragliche Regelung zu einem solchen Anspruch, so dass er allein auf § 3 Absatz 1 EFZG gestützt werden kann, begründet dieser Teil der Klage einen sogenannten sic-non Fall, in dem allein aufgrund der doppelrelevanten Rechtsansicht des Klägers, im Streitzeitraum Arbeitnehmer gewesen zu sein, insoweit der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten begründet ist.
- Werden neben der Entgeltfortzahlungsklage weitere Ansprüche geltend gemacht, ist für diese gesondert die Rechtswegzuständigkeit zu prüfen, denn sic-non-Fälle können keine Zusammenhangszuständigkeit nach § 2 Absatz 3 ArbGG begründen.
- Schließen bislang durch einen Arbeitsvertrag verbundene Vertragsparteien einen schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrag, wird damit das bisherige Arbeitsverhältnis, selbst wenn es in dem Vertrag keine Erwähnung findet, in der Regel formwirksam konkludent aufgehoben. Das gilt auch, wenn der Geschäftsführerdienstvertrag auf Unternehmensseite durch einen Vertreter der Gesellschafter und nicht durch einen (anderen) Geschäftsführer unterzeichnet wird. Denn insoweit ist von einer Annexvertretungskompetenz der Gesellschafterversammlung und ihrer Vertreter auszugehen (Anschluss an LAG Hamburg 19.11.2008 – Az. 4 Ta 20/08).
- Zwar wandelt sich der Geschäftsführerdienstvertrag dann nach Abberufung als Geschäftsführer nicht automatisch wieder in einen Arbeitsvertrag um. Erklärt jedoch der Vertreter der Gesellschafter, dass man das bisherige Arbeitsverhältnis mit der dort geregelten Tätigkeit, jedoch dem Gehalt aus dem Geschäftsführerdienstvertrag fortsetzen wolle und setzen die verbleibende Geschäftsführung und der abberufene Geschäftsführer dies dann um, indem Letzterer entsprechend weiterbeschäftigt wird, liegt darin eine wirksame konkludente Neubegründung des früheren Arbeitsverhältnisses. Für die hieraus abgeleiteten Ansprüche ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten begründet.
Schlagworte: Entgeltfortzahlung, konkludente Aufhebung eines Geschäftsführerdienstvertrages, sic-non Fall, Annexvertretungskompetenz der Gesellschafterversammlung, Umwandlung eines Geschäftsführerdienstvertrages in ein Arbeitsverhältnis, konkludente Neubegründung des früheren Arbeitsverhältnisses
Worum ging es?
Der Kläger war bei der beklagten Gesellschaft als Verkaufsleiter beschäftigt und wurde später zu ihrem Geschäftsführer bestellt. Anlässlich der Bestellung zum Geschäftsführer schloss die GmbH, vertreten durch den vertretungsberechtigten Geschäftsführer der Alleingesellschafterin, mit ihm einen schriftlichen Geschäftsführer-Dienstvertrag ab. Im Juli 2021 wurde der Kläger als Geschäftsführer abberufen und man erklärte ihm, er werde wieder als Verkaufsleiter eingesetzt und erhalte die Geschäftsführervergütung weiter. Gleichzeitig kündigte die GmbH das Arbeitsverhältnis. Der Kläger klagte vor dem Arbeitsgericht auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsabgeltung und Schadensersatz wegen Entzugs des Dienstwagens.
Wie hat das LAG Düsseldorf entschieden?
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf sieht den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten zutreffend als eröffnet. Die Fiktionswirkung nach § 5 Abs.1 Satz 3 ArbGG, wonach Organvertreter keine Arbeitnehmer sind, hat mit der erfolgten Abberufung des Klägers als Geschäftsführer geendet. Die Organstellung sperrt die Rechtswegzuständigkeit des Arbeitsgerichts also nicht mehr.
Somit war zu prüfen, ob der Tätigkeit des Klägers ein Arbeitsverhältnis oder ein freies Dienstverhältnis zugrunde gelegen hat. Dabei trägt der Kläger die Darlegungslast für die die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit begründenden Umstände, soweit nicht ein sog. sic-non-Fall vorliegt. Dieser liegt vor, wenn für den streitigen Anspruch die Statusfrage doppelrelevant ist, weil der Klageantrag nur im Falle des Vorliegens eines Arbeitsverhältnisses begründet sein kann. Dann ist die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte schon aufgrund der Behauptung des Klägers begründet, es habe ein Arbeitsverhältnis bestanden. Eine solche Doppelrelevanz bejaht das LAG bzgl. der Entgeltfortzahlungsansprüche.
Auch für den Schadensersatz- und den Urlaubsabgeltungsanspruch ist nach der Entscheidung des LAG Düsseldorf der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet. Zwar liegt bzgl. dieser Ansprüche kein sog. sic-non-Fall vor. Allerdings haben die Parteien durch die Weiterbeschäftigung des Klägers als Verkaufsleiter nach seiner Abberufung das während der Geschäftsführerstellung bestehende Dienstverhältnis wieder in ein Arbeitsverhältnis umgewandelt. Mit dem Abschluss des Geschäftsführervertrages ist das vorherige Arbeitsverhältnis zwar zunächst konkludent aufgehoben worden. Nach der Abberufung haben die Parteien ihr Rechtsverhältnis jedoch einvernehmlich wieder auf die Grundlage des alten Arbeitsvertrages als Verkaufsleiter gestellt. Damit handelte es sich bei allen drei vom Kläger geltend gemachten Ansprüchen um solche aus einem Arbeitsverhältnis mit der Folge, dass das Arbeitsgericht für den Rechtsstreit insgesamt zuständig ist.
Schützt das im Gesellschaftsvertrag eingeräumte Sonderrecht zur Geschäftsführung einen 49 %-Gesellschafter einer GmbH vor der Sozialversicherungspflicht?
Am 01. Februar 2022 hat das Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 01.02.2022 – B 12 KR 37/19 R) diese Frage wie folgt beantwortet:
Ein dem Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer eingeräumtes Sonderrecht zur Geschäftsführung verschafft diesem keine umfassende Sperrminorität. Es verhindert zwar seine jederzeitige Abberufung als Geschäftsführer und schränkt womöglich Weisungen im Bereich der gewöhnlichen Geschäftsführung ein, überträgt ihm aber nicht eine Gestaltungsmacht, kraft derer er auf alle Gesellschafterentscheidungen und damit auf die gesamte Unternehmenspolitik Einfluss nehmen könnte.
Schlagworte: Sozialversicherungspflicht, Minderheitsgesellschafter, Geschäftsführungssonderrecht
Worum ging es?
Der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH mit einem Anteil von 49 % am Stammkapital klagte gegen die DRV Bund, welche die Sozialversicherungspflicht des Klägers festgestellt hatte. Der Gesellschafter-Geschäftsführer sah darin eine Verletzung von § 7 SGB IV. Er wandte gegen den Feststellungsbescheid ein, aufgrund des im Gesellschaftsvertrag zu seinen Gunsten verankerten Sonderrechts zur Geschäftsführung sei es im rechtlich möglich, sich Weisungen der Gesellschafterversammlung zu widersetzen. Er verfüge deshalb über die erforderliche Rechtsmacht, unliebsame Weisungen der Gesellschafter Mehrheit zu verhindern.
Wie hat das Bundessozialgericht entschieden?
Das Bundessozialgericht wies die Revision zurück. Zur Begründung führt es an, dass Geschäftsführer einer GmbH nur dann eine selbstständige Tätigkeit ausüben, wenn Sie aufgrund Ihrer Gesellschafterstellung die Rechtsmacht besitzen, einen maßgeblichen Einfluss auf Gesellschafterbeschlüsse zu nehmen und dadurch die Geschicke der Gesellschaft umfassend mitzubestimmen. Mit einer Beteiligung von nur 49 % am Kapital der GmbH verfüge der Kläger nicht über diese Rechtsmacht. Daran ändere auch das dem Kläger im Gesellschaftsvertrag eingeräumte Sonderrecht zur Geschäftsführung nichts. Das Sonderrecht verhindere zwar seine jederzeitige Abberufung als Geschäftsführer, übertrage ihm aber nicht eine Gestaltungsmacht, kraft derer er auf alle Gesellschafterentscheidungen und damit auf die gesamte Unternehmenspolitik Einfluss nehmen könnte.
BSG, Urteil vom 01.02.2022 – B 12 KR 37/19 R –
Sind Geschäftsführer Arbeitnehmer i.S.v. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG?
Mit dieser Frage befasste sich das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 27. April 2021 (BAG 2. Senat, Urteil vom 27.04.2021 – 2 AZR 540/20) und kam zu folgendem Ergebnis:
Orientierungssätze
- Der Gesetzeswortlaut beschränkt die Geltung der in § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG normierten negativen Fiktion ausdrücklich auf den Ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes (§§ 1 bis 14 KSchG). Sie ist daher auf die in dessen Viertem Abschnitt befindliche Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG nicht anzuwenden.
- Eine Weisungsgebundenheit des GmbH-Geschäftsführers, die so stark ist, dass sie auf einen Status als Arbeitnehmer schließen lässt, kommt allenfalls in extremen Ausnahmefällen in Betracht.
- Das allgemeine Kündigungsschutzrecht ist nicht unionsrechtlich determiniert. Damit verbleibt es beim nationalen Arbeitnehmerbegriff, wie er sich aus § 611a Abs. 1 BGB ergibt, denn dieser gilt einschränkungslos, sofern das Unionsrecht nicht betroffen ist.
- Eine generelle Ausdehnung des Arbeitnehmerbegriffs des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG auf Fremdgeschäftsführer einer GmbH – unabhängig davon, ob ihr Beschäftigungsverhältnis (ausnahmsweise) die Kriterien eines Arbeitsverhältnisses erfüllt – ist verfassungsrechtlich nicht geboten.
Worum ging es?
Ein Arbeitnehmer der B-GmbH, die 8,5 Arbeitnehmer beschäftigte sowie außerdem zwei Fremdgeschäftsführer, wehrte sich gegen eine ordentliche Kündigung mit einer Kündigungsschutzklage und machte geltend, die beiden Fremdgeschäftsführer seien Arbeitnehmer i.S.v. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG. Die Gesamtzahl der Arbeitnehmer betrage deshalb 10,5 und der Schwellenwert des Kündigungsschutzgesetzes sei damit überschritten, er genieße also Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz.
Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass Fremdgeschäftsführer zwar als Arbeitnehmer im Sinne der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs anzusehen sind (EuGH, Urt. v. 09.07.2015 – C-229/14 – Balkaya). Dieser europarechtliche Arbeitnehmerbegriff gelte aber nur für § 17 KSchG. Für § 23 KSchG verbleibt es bei dem nationalen Arbeitnehmerbegriff des § 611a BGB. Der Kläger war also in einem Kleinbetrieb mit nicht mehr als zehn Arbeitnehmern beschäftigt, so dass er nicht unter Kündigungsschutz stand.
BAG, Urteil vom 27.04.2021 – 2 AZR 540/20 –
Kann eine GmbH – Geschäftsführerin Arbeitnehmerin sein?
Am 17. Juni 2020 hat das Bundesarbeitsgericht hierzu wie folgt entschieden (BAG, Urteil vom 17.06.2020 – 7 AZR 398/18):
Der hauptberufliche, auf die Dauer von sieben Jahren gewählte Verbandsgeschäftsführer eines Zweckverbands kann nach § GKG-LSA entweder in ein Beamtenverhältnis auf Zeit berufen werden oder auf der Grundlage eines Anstellungsvertrags beschäftigt werden. Ist Letzteres der Fall, kann es sich je nach der Vereinbarung der Parteien und der tatsächlichen Durchführung entweder um ein freies Dienstverhältnis oder um ein Arbeitsverhältnis handeln. Regelt der Vertrag, dass der Geschäftsführer leitender Angestellter ist, spricht dies für die Vereinbarung eines Arbeitsvertrags.
Worum ging es?
Die Geschäftsführerin einer GmbH klagte nach Erhalt einer Kündigung beim Arbeitsgericht und machte geltend, sie habe in so erheblichem Umfang Weisungen erhalten und ausführen müssen, dass sie nicht mehr freie Dienstnehmerin, sondern Arbeitnehmerin sei.
Wie hat das Bundesarbeitsgericht entschieden?
Das Bundesarbeitsgericht schreibt, dass die der Bestellung zum Geschäftsführer zugrundeliegende vertragliche Abrede üblicherweise ein Dienstvertrag ist. Zwingend sei das aber nicht, ausnahmsweise könne auch ein Arbeitsverhältnis Grundlage der Organstellung sein, allerdings nur bei hoher Intensität der Eingliederung und Weisungsunterworfenheit. Eine solch starke Weisungsunterworfenheit habe die Geschäftsführerin zwar nicht nachgewiesen, sie sei aber im Geschäftsführervertrag ausdrücklich als leitende Angestellte bezeichnet. Leitende Angestellte sind aber Arbeitnehmer, sodass das Bundesarbeitsgericht davon ausgeht, dass die Parteien ein Arbeitsverhältnis vereinbaren wollten.
BAG, Urteil vom 17.06.2020 – 7 AZR 398/18 –